Eine umstrittene Refluxoperation – wann und wann nicht eine Fundoplicatio zu empfehlen ist

Manchmal wird über die Sinnhaftigkeit einer Fundoplicatio heftiger gestritten. Mitunter werden dazu Gutachten erstellt, der Text ist eine Kostprobe. Dieses „Gutachten“ ist eine Erfindung; Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig.

….. soll unter Bezugnahme auf das Gutachten samt Ergänzung des … Stellung genommen werden, aus welchen Gründen der Verfasser die Indikation zur Operation am … als nicht gegeben erachtet.

 

ERFAHRUNGSSÄTZE

Zum Verständnis der nachfolgenden Stellungnahme sollen die zur Frage der Indikation einer Antirefluxoperation gehörigen Begriffe nochmals auf eine Weise erklärt werden, dass ein Nachvollzug auch medizinischen Laien leicht möglich ist.

 

  1. Der Definition Refluxkrankheit liegt die 2006 publizierte sogenannte Montreal-Klassifikation zugrunde: Eine gastroösophageale Refluxkrankheit besteht, wenn der Reflux, das heißt das Hochfließen von Mageninhalt in die Speiseröhre beschwerliche (troublesome) Symptome oder Komplikationen hervorruft. 1 Diese Definition ist entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob eine Refluxkrankheit, vorliegt, und eine Antirefluxoperation überhaupt indiziert sein kann. Für die Diagnose sind also 3 Tatsachen essenziell: 1.) Der Nachweis tatsächlich in einem Ausmaß auftretender Rückflüsse von Mageninhalt in die Speiseröhre, das die auch bei gesunden vorkommende Refluxaktivität übersteigt, 2.) Symptome oder Komplikationen, die kausal damit zusammenhängen können, und 3.) der Nachweis eines kausalen Zusammenhanges zwischen dem Hochfließen und den beobachteten Symptomepisoden, der die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Zusammentreffens statistisch signifikant überschreitet.

 

  1. Anamnese und Symptome. Brennende Schmerzen hinter dem Brustbein (Sodbrennen) und das Hochfließen von Flüssigkeit sind die häufigsten und typische Symptome der Refluxkrankheit. Es können aber auch atypische Symptome wie Schmerzen im Oberbauch, Globusgefühl (Gefühl einen Knödel im Hals stecken zu haben), Heiserkeit, Räusperzwang, chronischer Husten, Asthma, idiopathische Lungenfibrose u. a. von einem Reflux begleitet oder verursacht sein.

 

  1. Diagnose.

3.1 Die typischen und atypischen Refluxsymptome haben nur eine Spezifität von 67 %, das heißt, dass in 33% der symptomatischen Fälle die Beschwerden nicht von einem Reflux begleitet oder bedingt sind. 2Für eine sichere Diagnose der Refluxkrankheit, welche Voraussetzung ist für eine Indikation zu einer Anti-Refluxoperation, sind daher die Symptome und ein nachgewiesener zeitlicher und mit statistischer Signifikanz kausaler Zusammenhang mit einem abnormen Hochfließen von Mageninhalt zwingend.

 

3.2 In der Praxis wird bei Verdacht auf Reflux pragmatisch eine Therapie mit Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI; Medikamente, welche die Säureprofuktion im Magen hemmen) begonnen, und zwar mit einer zweimal täglichen Verabreichung. Ein lege artis durchgeführter therapeutischer Versuch mit PPI erfordert die standardisierte Evaluation aller Beschwerden, im Idealfall mittels Fragebogen. Sodann hat geplant der Erfolg oder das Nicht-Ansprechen der Medikation zu einem vordefiniertem Zeitpunkt dokumentiert zu werden. Schließlich erfordert ein vollständiger Versuch im Falle eines Ansprechens der Therapie auch die zeitlich definierte schrittweise Reduktion mit Evaluation, ob dadurch die Beschwerden wieder auftreten. Ein Ansprechen auf diese Therapie macht einen sauren Reflux in die Speiseröhre sehr wahrscheinlich; was für die medikamentöse Therapie ausreicht, vor einer Operation aber eine Messung der Refluxaktivität erfordert. Ein Nicht-Ansprechen auf PPI-Therapie muss weiter untersucht werden. Stets ist die Differenzialdiagnose im Auge zu behalten, dass andere Krankheiten die Symptome bedingen, und das heißt auch, dass eine kausale Ursache der Beschwerden durch Reflux erst bewiesen oder ausgeschlossen werden muss.2

 

3.3 Eine nächste weiter führende Untersuchung ist die kombinierte Messung der Säureexposition in der Speiseröhre und die Messung der Anzahl der Episoden mit flüssigem Reflux, unabhängig davon ob das Refluat sauer, neutral oder alkalisch ist.

 

3.3.1 Die Messung der Säureexposition geschieht durch die sogenannte 24-h pH-Metrie, die gleichzeitig mit der Impedanz-Untersuchung durchgeführt wird ( zu letzterer weiter unten). Dabei wird ein dünner Katheter über die Nase in die Speiseröhre eingeführt, sodass dessen Spitze 5 cm oberhalb der Grenze zwischen Magen und Speiseröhre zu liegen kommt. An der Spitze dieses Katheters befindet sich ein Sensor, der den pH-Wert genau misst und die Messdaten in einem Datenspeichergerät registriert. Ein saures Milieu in der Speiseröhre wird dabei als pathologisch beurteilt, wenn während mindestens 4% der Messzeit ein pH-Wert von ≤4 gemessen wird. Die Messwerte werden kontinuierlich in einem Daten-Logger aufgezeichtnet, und nach Ende der Messung entweder manuell oder mittels eines Programms automatisch ausgewertet. Den Bruchteil der Zeit, in dem ein pH≤4 gemessen wird nennt man auch Fraktionszeit oder acid exposure time (AET) und gilt bei einem Wert ≥4% eindeutig pathologisch. Aus weiteren Messgrößen wie Anzahl der Refluxperioden, Körperlage, während der der Reflux gemessen wird etc. wird mitunter ein Score errechnet (DeMeester score) der jedoch keine präzisere Aussagekraft bezüglich der Schwere des Refluxes ergibt als die AET. Zur Registrierung der Symptomepisoden drückt der Patient Tasten am Daten-Logger, die für bestimmte Arten von Beschwerden definiert sind. In einem Tagebuch notiert der Patient – üblicherweise – dazu schriftlich die Art der Beschwerden.

 

3.3.2 Während in der pH-Metrie nur saures Refluat registriert wird, erlaubt es die Impedanz-Untersuchung auch nicht-saure Refluxepisoden zu messen.  Impedanz heißt der elektrische Widerstand für einen hochfrequenten (50 kHz [Kiloherz]) Wechselstrom, der sich aus der Resistance (Ohm’scher Widerstand) und der frequenzabhängigen Reactance (kapazitiver Widerstand, bei dem Energie in den Aufbau eines elektrischen Feldes einfließt, wie bei einem Kondensator) zusammensetzt. 3

 

Bei der Impedanz-Untersuchung der Speiseröhre wird der Umstand verwendet, dass der Ohm’ sche Widerstand während einer Refluxperiode absinkt, weil die Flüssigkeit einen geringeren Widerstand hat als das umliegende Gewebe. Der Widerstand ist abhängig vom Volumen des Refluats, das heisst proportional der Länge und umgekehrt proportional zum Querschnitt der Flüssigkeitssäule. Dadurch kann die Anzahl der Refluxperioden gemessen werden, auch wenn das Refluat nicht sauer ist. Eine Refluxperiode zeigt sich in der Impedanz mit einem Abfall des Ohm’schen Widerstands. Dabei muss sorgfältig auf andere Ursachen eines derartigen Abfalls geachtet werden, wie beim Schlucken von Flüssigkeit und anderen Artefakten, um nicht die Anzahl der Refluxperioden zu überschätzen. pH- und Impedanz-Messung werden gleichzeitig durchgeführt. Der Reflux von Flüssigkeits- Volumina hat eine obere Normgrenze, die durch die Standardabweichung des Mittelwertes gesunder Probanden errechnet wird, dem Wert entsprechend, bei dem bei 95% der gesunden Probanden die Anzahl darunter liegt, auch 95% Perzentile genannt. Die im Befund der 24h-Impedanz-pH-Metrie der Innsbrucker Klinik verwendete obere Normgranze von 73 Refluxepisoden pro 24 h ist korrekt, und entstammt der Arbeit von Shay et al. 4 . Eine weitere Arbeit von Zerbib F et al. ergibt 75 Refluxe in 24 h als obere 95% Perzentile bei gesunden Probanden. 5 Die Auswertung der Impedanzwerte hat automatisch und auch manuell zu erfolgen, um Artefakte aus der Evaluierung auszuschließen.

 

3.3.3 Interpretation der pH-Metrie und Impedanz-Daten. Ein eventueller kausaler Zusammenhang zwischen Symptomereignissen und pH-metrisch und/oder durch Impedanz registrierten Refluxepisoden wird durch errechnete Kennzahlen evaluiert. Dabei hat sich der Symptom Index (SI), der Symptom Sensitivity Index (SSI) und die Symptom Association Probability (SAP) in der Praxis durchgesetzt. Der SI, publiziert 1986 6, gibt den Prozentsatz der Symptomepisoden an, die innerhalb von 2 Minuten nach Refluxereignissen stattfinden; und zwar als Anzahl der Symptomepisoden mit Reflux gebrochen durch die Gesamtzahl der Symptomperioden. Für Sodbrennen liegt der cut-off, die Grenze zwischen normal und pathologisch bei 50%. Der SI lässt offen, ob das Zusammentreffen von Refluxereignis und Symptomepisode durch Zufall zustande kommt, was bei einer niedrigen Anzahl von Symptomepisoden und vielen Refluxepisoden leicht möglich ist. Bei Patienten, die nur eine Symptomepisode pro 24 h berichten, kann durch Zufall leicht ein SI von 100% resultieren. 7

 

Deshalb wurde 1991 der SSI (Symptom Sensitivity Index) als weitere Kennzahl entwickelt, 8 die aus der Anzahl der symptomassoziierten Refluxperioden durch die Gesamtzahl der Refluxperioden (x 100 %) errechnet wird. Ein SSI größer als 10% gilt als pathologisch.

 

Ein weiterer Parameter, das Maß für die Wahrscheinlichkeit, ob zwischen Reflux und Symptom eine kausale Beziehung besteht oder ob das Zusammentreffen durch Zufall erklärt werden kann wurde mit der 1994 publizierten SAP (Symptom Association Probability) etabliert. 9 Sie wird errechnet, indem die ganze Messperiode in 2-Minuten Segmente zerlegt wird. Aus den vier Kombinationen von Reflux (ja und nein) und Symptom (ja und nein) wird mittels eines Vier-Feldertests statistisch geschätzt, mit welcher Wahrscheinlichkeit p eine Assoziation von Symptomen und Refluxen zufällig aufgetreten ist. Ist die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen zusammentreffens kleiner als 5 %, so liegt der SAP (das ist 1 – p) über 95%. 9

 

  1. Endoskopie. Bei Refluxbeschwerden sollte eine Endoskopie erfolgen, wenn Alarmsymptome wie Schluckstörung oder Blutungen vorliegen, um bei mehrjährigen Beschwerden einen Barrett-Ösophagus auszuschließen und um eine erosive Entzündung der Speiseröhre zu verifizieren.“

 

  1. Zur Frage der Diagnose einer Refluxkrankheit durch Gewebeproben (Biopsien) aus einer makroskopisch unauffälligen Speiseröhren-Schleimhaut stellen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten 2005 fest: Eine endoskopische Biopsie spielt für die Diagnose der NERD (non-erosive reflux disease; Refluxkrankheit ohne Verätzungen in der Speiseröhre) keine Rolle.

 

  1. Indikation zur Antirefluxoperation. Beim Vorhandensein von typischen oder atypischen Symptomen und fehlendem Ansprechen auf säurehemmende Medikamente kann eine Indikation zur Fundoplicatio vorliegen, wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen Symptomen und pH- metrisch und mittels Impedanz festgestellten Refluxepisoden statistisch zweifelsfrei nachgewiesen ist.

 

KOMMENTAR ZUM GUTACHTEN DES …

Herr …  beantwortet die Frage des Gerichts, ob die Operation am …  indiziert war bejahend,  mit „ist vertretbar.“

 

Diese Einschätzung wird durch die bekannten Sachverhalte nicht untermauert, wie im Folgenden dargestellt wird.

 

Die von d… in der Zeit vor der Operation geschilderten Beschwerden können als typische oder atypische Zeichen einer Refluxkrankheit interpretiert werden, eine Operationsindikation leitet sich daraus nur ab, wenn  eine kausale Beziehung zwischen gemessener Refluxaktivität und den Beschwerden eindeutig erwiesen ist. Das war nicht der Fall, wie unten erörtert wird.

 

…  geht bei der Erörterung der Beschwerden nicht auf die Tatsache ein, dass bei früherer Gelegenheit an der Gastroenterologie sowohl eine Fructose– als auch eine Lactoseunverträglichkeit festgestellt worden sind. Beide Störungen gehen mit Bauchschmerzen einher, und ihre differenzialdiagnostische Würdigung fehlt im Gutachten … , wäre aber zumutbar gewesen.

 

…  erwähnt weiters verschiedene endoskopische, histologische und radiologische Befunde, die mit einer Refluxerkrankung vereinbar sind, diese jedoch keineswegs beweisen. Dazu gehört die kleine axiale Hiatushernie (umgangssprachlich Zwerchfellbruch, ein Ausdruck der von Laien vielfach als Alarmsignal, zumindest als operationsbedürftiger Befund missverstanden wird). Die Leitlinien 2005 erklären dazu: „Die Beschreibung einer Hiatushernie spielt für die Diagnosestellung (einer Refluxkrankheit)  keine Rolle.“

 

Röntgenbefunde sind für die Diagnose einer Refluxerkrankung nicht zuverlässig und stellen kein Kriterium der Operationswürdigkeit dar. Die Leitlinien 2005: „Der „Breischluck“ ist zur Diagnosestellung Refluxkrankheit ungeeignet.“

 

Endoskopisch typisch für eine Refluxerkrankung sind Erosionen in der Speiseröhre, peptische Stenosen (durch Verätzung induzierte Verengungen), Geschwüre und die Verdrängung der normalenPlattenepithel-Schleimhaut durch Zylinderepithel, auch Barrett-Ösophagus genannt. Die Leitlinien 2005: “Bei Abwesenheit von Erosionen erlauben Minimalbefunde wie Erythem, … verstärkte Gefäßzeichnung im distalen Ösophagus, Ödem oder Hervorhebung der mukosalen Falten für sich allein nicht die Diagnose „Refluxkrankheit.“ Und  „Eine endoskopische Biopsie spielt für die Diagnose der NERD (non erosive reflux disease, Refluxerkrankung ohne Schleimhauterosionen, der Verf.) keine Rolle.“ Erosionen der Speiseröhre sind bei … vor der Operation nie gefunden worden.

 

In diesem Zusammenhang ist die Behauptung von … zusätzlich zu den Beschwerden d… liege ein „endoskopischer, radiologischer und histologischer Nachweis eines gastroösophagealen Refluxes vor,  nicht – wie … einräumt „wissenschaftlich nachrangig“ sonder schlicht falsch.

 

Des weiteren behandelt das Gutachten die Frage einer probatorischen Therapie mit säurehemmenden Medikamenten. Eine derartige Probetherapie legt bei „Ansprechen“ darauf das Vorliegen eines sauren Refluxes nahe. Das Ausbleiben eines Erfolgs der PPI-Therapie erfordert eine Diagnostik der sauren und nicht-sauren Refluxaktivität. Es könnte ein exzessiv saurer, ein Symptome machender nicht-saurer Reflux vorliegen, oder gar kein pathologischer Reflux. Ob Beschwerden durch Refluxepisoden kausal bedingt, muss die Untersuchung der Speiseröhrenfunktion zeigen. Das fehlende Ansprechen auf eine PPI Therapie stellt für sich allein keine Operationsindikation dar.

 

… setzt sich dann in einem „wissenschaftliche Erörterung“ überschriebenen Abschnitt mit Refluxdefinition (Genval- und Montreal-Definition der Refluxkrankheit), Beschwerden, Befunden und Messergebnissen auseinander … Nach einem kurzen Überblick über die internationalen Definitionen der Refluxkrankheit, stellt er fest, dass d… schon seit Jahren an typischen und atypischen „Refluxbeschwerden“ gelitten hat, und dass diese für die Lebensqualität belastend gewesen seien.

 

Er schließt mit dem Statement: “Unabhängig von Genval- oder Montreal-Klassifikation konnte also auf Grundlage der fachlichen Standards eine gastroösophageale Refluxerkrankung diagnostiziert werden.“ …

 

Dieses Statement ist falsch. … verwechselt offenbar Refluxbeschwerden mit Reflux und Refluxkrankheit. Die internationalen Definitionen bedeuten nämlich Reflux mit Komplikationen und/oder beeinträchtigter Lebensqualität (Genval-Klassifikation) bzw. „ when the reflux of stomach contents causes troublesome symptoms and / or complicatiions“1. Dieses Missverständnis zieht sich durch das ganze Gutachten. Nicht die „Refluxbeschwerden“ sind die Grundlage der Diagnose Refluxkrankheit, und somit einer OP-Indikation, sondern der Nachweis eines kausalen Zusammenhanges zwischen Refluxepisoden und Symptomen.

 

Es erfolgt eine Erörterung der Ergebnisse der Manometrie, die für die Fragestellung des Gerichts nicht erheblich sind.

 

Sodann werden pH-Metrie und Impedanz kurz erklärt. … hält richtig fest, dass ein saurer Reflux nicht vorliegt, und dass die Anzahl der Refluxepisoden im „oberen Normalbereich“ lägen. … geht sodann auf den Symptom Index ein, ohne dessen Einschränkungen (z.B. falsch positive Werte durch Zufall generiert) einzugehen. Aus dem Zusammenfallen von einer (von 64) Refluxperioden mit einer von   2 (zwei) Symptomepisoden behauptet er einen relevanten Parameter, am Unterende des pathologischen Bereichs, nämlich 50% vorliegen zu haben.  Die beschränkte Aussagekraft des SI, die historisch dazu geführt hat, dass weitere und verlässlichere Kennzahlen wie SSI und SAP entwickelt worden sind berücksichtigt er nicht.

 

Schließlich kommt er zur irrigen Schlussfolgerung: „Zusammengefasst besteht damit im … eine nachgewiesene nicht erosive gastroösophageale Refluxkrankheit mit nicht-saurem Volumenreflux.“ Hingegen ist festzustellen:

1) eine Refluxkrankheit lag nicht vor, weil keine abnormen Refluxe nachgewiesen wurden, weder eine nennenswerte Säureexposition, noch eine abnorm erhöhte Gesamtzahl von Refluxen. Diese lag vielmehr eindeutig im physiologischen Bereich.

2) Eine mögliche kausale Beziehung  zwischen Symptom- und Refluxepisoden stützt sich auf das grenzwertige Ergebnis eines problematischen, für die geringe Anzahl von Symptomepisoden nicht zuverlässigen Parameters. Eventuell erhellendere aus den Daten erstellte  Kennzahlen wie SAP und SSI liegen in den Unterlagen der … nicht vor.

 

Auf die weiteren Parameter zur Evaluierung der Messdaten, den Symptom Sensitivity Index (SSI) und die Symptom Association Probability (SAP) ist …  nicht eingegangen. Die Errechnung des SSI ist aus den im Befund vorliegenden Zahlen für Refluxepisoden und Symptomepisoden leicht auszurechnen – dazu unten. Dasselbe gilt auch für den SAP.

 

Im weiteren behandelt … das fehlende Ansprechen auf einen Therapieversuch mit säurehemmenden Medikamenten, obwohl klar ist, dass für eine ordnungsgemäße Durchführung dieses Therapieversuches, und somit auch für das Nichtansprechen keine Dokumentation besteht.  Für die Beurteilung der Korrektheit der Operationsindikation sind diese Überlegungen unerheblich, da ja nie eine pathologisch erhöhte Refluxaktivität festgestellt worden ist, und somit das Nichtansprechen einfach dadurch erklärt werden kann, dass die Beschwerden der Patientin andere Ursachen gehabt haben.

 

Abschließend begründet … eine vorliegende OP-Indikation mit

1) einem medikamentösen Therapieversagen

2) fortbestehende Volumenregurgitation und

3) einer nicht-erosiven Refluxerkrankung.

 

Ad 1) Eine OP Indikation ist bei „medikamentösem Therapieversagen“ , wie auch generell nur dann gegeben, wenn eine erhöhte Refluxtätigkeit nachgewiesen ist und eine kausale Beziehung zwischen Symptomepisoden und nachgewiesenen Refluxen zweifelsfrei etabliert ist.

 

Ad 2) der Ausdruck „Volumenregurgitation“ ist eine Tautologie, da ein Reflux immer mit dem Hochfließen eines Volumens einhergeht. Auch die häufige Verwendung dieses Ausdrucks entkräftigt nicht die Tatsache, dass die 24 h Messung lediglich eine im Normalbereich liegende Refluxaktivität gezeigt hat.

 

3) dass … nie eine erosive Ösophagitis geboten hat, ist richtig, dass eine Refluxerkrankung vorlag ist falsch.

 

KOMMENTAR ZUM ERGÄNZUNGSGUTACHTEN VON …

In den Antworten auf die Fragen … wird wiederholt auf bereits erörterte Sachverhalte Bezug genommen, wie Hiatushernie, Refluxdiagnose im Röntgen, Diagnose durch Biopsie etc. deren fehlende Relevanz zur Diagnose einer Refluxerkrankung schon oben besprochen worden ist.

 

Darüber hinaus enthält die Gutachtensergänzung von … eine Reihe von Unschärfen und Mutmaßungen, die ebenfalls eine gegebene Indikation nicht stützen.

 

So … des Akts: „Der Gutachter bleibt bei seiner Ansicht, dass die Indikation zur Operation in diesem Falle vertretbar war – natürlich war sie nicht von zweifelloser Klarheit.“ (Hervorhebung des Verfassers). Was hier klar und weniger klar war, wünschte man sich mit mehr Entschiedenheit erörtert.

 

So beschreibt er die Dokumentation des angeblichen Therapieversuchs mit Säurehemmern als „nicht gut“, wo sie schlicht fehlt.

 

Unter …  führt …  aus:  … „Eine normale Anzahl von Refluxen oberhalb des gastroösophagealen Übergangs schließt bestimmte Formen des Refluxleidens, wie beispielsweise eine nicht-saure Volumenregurgitation bei der nicht-erosiven Refluxerkrankung, eben nicht sicher aus.„ Diese Erklärung ist nur logisch, wenn es zusätzlich zu den mittels Impedanz-pH.Metrie festgestellten Episoden mit Hochfließen von Flüssigkeitsvolumina noch andere Refluxe von Volumina gäbe, die gerade mit dieser Methode obzwar vorhanden, so doch nicht registriert würden. – Für einen dermaßen phantastischen Sachverhalt gibt es freilich in der Literatur keinen plausiblen Anhalt.

 

ABSCHLIESSENDE ERÖRTERUNG DER SACHVERHALTE

Der Auftrag des … nochmals darzulegen, warum der Verfasser in seinem Gutachten … samt Gutachtensergänzung die Operation vom …  für nicht indiziert bezeichnet, lässt sich auf die Frage reduzieren, ob bei …  eine Refluxkrankheit vorgelegen hat, und insbesondere ob die Beschwerden de… mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch einen pathologischen gastroösophagealen Reflux kausal bedingt waren.

 

Anamnese, Befunde und insbesondere die Auswertung der vorliegenden Daten der 24-h Impedanz-ph_Metrie erbringen keinen Nachweis, dass die damaligen Symptome kausal mit allfälligen gastroösophagealen Refluxereignissen korrelierten, bzw. in einem kausalen Zusammenhang gestanden sind.

Wie eingangs unter „Erfahrungssätze“ aufgezählt haben weder die Art der Beschwerden, noch der endoskopische Befund, noch eine Gewebeprobe, noch eine Röntgenuntersuchung, noch eine probatorische therapie mit PPI, noch die Funktionsuntersuchung mittels Manometrie und 24-h Impedanz-pH-Metrie diesen Nachweis erbracht.

Wegen der für die Fragestellung zentralen Bedeutung der letzteren Untersuchungen (Funktionsdiagnostik) soll diese eingehend erörtert werden.

Die am … erhaltene nachgeforderte Auflistung der Messergebnisse und daraus ermittelten Kennzahlen enthält etwas mehr Informationen, lässt aber wichtige Fragen offen.

Das neue Dokument enthält erstmals Informationen über die AET (Acid Exposure Time), die mit lediglich 0,9% der Untersuchungszeit sehr niedrig ist, und weit von der oberen Normgrenze von ≥4% entfernt liegt. Weiters ist aus dem neuen Dokument ersichtlich, dass eine der beiden Episoden von Sodbrennen mit einem sauren Reflux registriert wurde, die andere ohne Refluxepisode.

Auf Seite … wird eine normale Zeit der gesamtem sauren Refluxe angegeben, aber eine leicht erhöhte Zeit mit allen (sauren und nicht-sauren) Refluxen. Aus der Assoziation von einer von zwei Episoden von Sodbrennen mit einem Refluxereignis wird ein Symptomindex von 50% errechnet. Es wird hier nochmals daran erinnert, dass bei seltenen Symptomereignissen und vielen Refluxereignissen ein positiver SI leicht durch Zufall entstehen kann. Ein genauere Auskunft gibt der SSI, der aus dem Anteil symptomassoziierter Refluxe (n=1) an der Gesamtzahl der Refluxe, in diesem Fall n=64, errechnet wird. 1/64 ergeben 1,6%, weit unterhalb der oberen Normalgrenze von 10%.8

Für die Fragestellung essenziell ist die Schätzung der Wahrscheinlichkeit der Symptom-Reflux Assoziation, durch die SAP, die … allerdings nicht errechnet wurde, oder zumindest nicht dokumentiert vorliegt.

In einem Editorial von Steven Shay, aus dessen Publikation die verwendeten Normwerte der Methode stammen, wird vor Einschränkungen der Impedanz-Methode bei der Diagnostik von Reflux gewarnt, da Nebeneffekte fälschlich als Refluxereignisse über-interpretiert werden können.

“ Limitations of Impedance Monitoring as a GERD Test.

… Reading impedance tracings has a learning curve, especially in distinguishing reflux from swallows, reflux that extend only a short distance into the esophagus, and misinterpreting as reflux baseline variations that occur throughout the test.“ Bei der Impedanz-Methode werden nicht-saure Refluxepisoden häufig überschätzt, und falsch erhöhte Reflux-Symptom Assoziationen in 20 % der Fälle misinterpretiert. Aus diesem Grund wird auch eine manuelle Evaluierung der Impedanz-Kurven verlangt. Ob die Messung bei d… … automatisch oder manuell auegewertet wurde, darüber gibt es keine Auskunft, und keinen Anhalt in den Unterlagen.

 

Für die Fragestellung des Gerichts ist nach Feststellung einer sowohl normalen sauren, als auch normalen nicht-sauren Refluxakrivität die Frage entscheidend, ob zwischen den seltenen registrierten Symptomen und den Refluxepisoden ein Zusammenhang bestanden hat, dessen zufälliges Zustandekommen statistisch ausgeschlossen ist.

 

1) Der erste und in den vorliegenden Auswertungen der Funktionsuntersuchung festgestellte Symptom Index (SI) für das Symptom Sodbrennen von 50% ist wie schon oben erörtert für die Diagnose einer kausalen Beziehung zu sehr dem Zufall ausgeliefert, als dass er Grundlage einer lege artis OP-Indikation sein könnte. Zudem ist der SI für „Bauchschmerzen“ 0, da Bauchschmerzen (n=2) nie mit Refluxepisoden assoziiert waren.

 

2) Der im Originalbefund nicht ausgewertete Symptom Sensitivity Index (SSI) kann aus den vorliegen Daten nachträglich errechnet werden. Der Anteil der symptomassoziierten Refluxereignisse (n=1) an der Gesamtzahl der Refluxereignisse (n=64) betrug 1,6%, weit unterhalb der oberen Normalgrenze von 10 %. Auch dieser Parameter spricht gegen das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs zwischen Symptomen und Refluxen. Somit ist eine Refluxerkrankung nicht nachgewiesen, und daher eine Indikation zur Antirefluxoperation nicht gegeben.

 

3) Die im Befund der 24 h Impedanz –pH-Metrie nicht ausgerechnete Symptom Association Probability (SAP) wurde vom Verfasser dieses Gutachtens mit den vorliegenden Daten nachträglich berechnet.

Es wurde aufgrund der im Bericht der Untersuchung enthaltenen Zahlen über Refluxepisoden und Episoden von Sodbrennen eine Kontingenzanalyse (Vier-Felder-Test) durchgeführt, wobei Fisher’s exakter Test einen p-Wert von 0,2021 ergab. Das entspricht einer Symptom Association Probability von 1 – p, somit einem SAP von 0,80, also unterhalb des cut-off von 0,95. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit dass die Assoziation durch Zufall zustande kommt beträgt 20,21%, und ist somit höher als die Signifikanzgrenze von 0,05.

 

Auswertung (siehe Screenshot) mittels des Statistikprogramms JMP 9.0.

Angesichts einer Untersuchungsdauer von gerundet 21 Stunden ergeben sich 21 x 30 = 630 2-Minuten-Segmente. Davon 565 ohne Reflux und ohne Sodbrennen, 63 Segmente mit Reflux ohne Sodbrennen, ein Segment ohne Reflux mit Sodbrennen und ein Segment mit Reflux und mit Sodbrennen. Auf diese Vier-Feldertafel ist Fisher’s exakter Test anzuwenden, weil Felder mit weniger als vier Beobachtungen gegeben sind. Der Test ergab eine Irrtumswahrscheinlichkeit p= 0,193, somit eine SAP (1,0 –p) von 0,807, deutlich unterhalb des cut-off von 0,95.

 

Wenn alle Symptomepisoden, das heißt auch die Bauchschmerzen mit einbezogen wurden, betrug die Irrtums-Wahrscheinlickeit p= 0,3492  somit der SAP gerundet 0,65, deutlich unter dem cut-off von 0,95.

Wie in Publikationen bekräftigt wurde, verlangen sowohl der SI als auch die SAP eine relativ hohe Anzahl von Ereignissen um um für den Nachweis einer kausalen Symptom-Reflux-Assoziation gültig zu sein, nämlich mindestens drei Symptomepisoden, und nicht nur eine, wie im gegenständlichen Fall. Obwohl nachträglich noch möglich, wäre eine Neuevaluierung der Originaldaten daher nicht zielführend.

 

Zusammenfassend ergeben die Daten der Funktionsdiagnostik keinen sicheren Beweis eines pathologischen Refluxgeschehens, und keinen Nachweis einer signifikanten Symptom-Reflux Assoziation, sodass die Beurteilung der OP-Indikation als nicht gegeben bekräftigt werden muss.

 

ZUSAMMENFASSUNG

 

Das von … erstattete Gutachten samt Ergänzung haben nichts an der Beurteilung des Verfassers geändert, dass die Fundoplicatio vom xx nicht indiziert, und somit nicht lege artis war.

 

Literatur

1.) Vakil N et al. The Montreal definition and classification of gastroesophageal reflux disease: a global evidence-based consensus. Am J Gastroenterol. 2006; 101: 1900-1920. „GERD is a condition which develops when the reflux of stomach contents causes troublesome symptoms and/or complications

 

2.) Kahrilas PJ et al. Management of the patient with incomplete response to PPI therapy. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2013; 27: 401-414.

 

3.) Nyboer J. Electrical impedance plethysmography. 2nd ed. Springfield: Charles C Thomas, 1970

 

4.) Shay S et al. Twenty-four hour ambulatory simultaneous impedance and pH monitoring: a multicenter report of normal values from 60 healthy volunteers. Am J Gastroenterol 2004; 99: 1037-1043.

 

5.) Zerbib F et al. Normal values and day-to-day variability of 24-h ambulatory oesophageal impedance-pH monitoring in a Belgian-French cohort of healthy subjects. Aliment Pharmacol Ther 2005; 22: 1011-1021.

 

6.) Ward BW et al. Ambulatory 24-hour esophageal pH monitoring. Technology searching for a clinical application. J Clin Gastroenterol 1986; 8(Suppl 1): 59-67.

 

7.) Bredenoord A J et al. Symptom Association Analysis in ambulatory gastro-esophageal reflux monitoring. Gut 2005; 54: 1810-1817.

 

8.) Breumelhof R, Smout AJ. The symptom sensitivits index: a valuable additional parameter in 24 h esophageal pH recording. Am J Gastroenterol 1991; 86: 160-164.

 

9.) Weusten BL et al. The symptom-association probability: an improved method for symptom analysis of 24-hour esohageal pH data. Gastroenterology 1994;107: 1741-1745.

 

10.) Koop H et al. Gastroösophageale Refluxkrankheit – Ergebnisse einer evidenzbasieten Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Z Gastroenterol 2005; 43: 163-194.

 

11.) Shay Steven. Esophageal impedance monitoring: The ups and downs of a new test. Am J Gastroenterol 2004; 99: 1020-1022.

 

12.) Caution about overinterpretation of symptom indexes in reflux monitoring for refractory gastroesohageal reflux disease. Clin Gastroenterol Hepatol 2011; 9: 868-874.